Inspiration Marrakesch

Herzenssache

Keine Trendmetropole, kein Hipstertown, kein Geheimtipp. Und dennoch wundervoll.

Als ich letztes Jahr für mein Kaufhaus eine Sommerkampagne entwickelte zum Thema „Marrakesch-Jardin Majorelle“ fühlte ich mich ein bisschen wie Karl May mit Winnetou: Etwas beschreiben, etwas imitieren, was man nur aus Erzählungen und von Bildern kennt; heute sicher einfacher als zu Zeiten des Schriftstellers. Die Farben, die Kontraste, die Strahlkraft faszinierten mich und erweckten den Herzenswunsch, den Garten und ganz Marrakesch real zu erleben und zu begreifen. Wer mich kennt weiß, dass auch die schon lange verblassten Spuren der Hippies und des Hippietrails in den späten 60er Jahren Anziehung auf mich ausüben.

Es wäre anmaßend, Marrakesch in diesem begrenzten Format zu beschreiben. In meinen Blogs geht es um Visuelles, daher versuche ich , Dinge, die mich persönlich fasziniert und inspiriert haben, hier zusammenzutragen.

Islam

Hinsichtlich dieses komplexen Themas kann ich lediglich unsere subjektiven Erlebnisse und flüchtigen Eindrücke widergeben. Marokko gilt als recht konservativ. Der Islam ist Staatsreligion und in der Verfassung verankert, 98% aller Bewohner sind muslimisch. Anders als in anderen Ländern des Orients dürfen Moscheen in Marokko nur von Gläubigen betreten werden. Frauen ist der Zutritt zu Moscheen nur in Einzelfällen gestattet. Die Stadt vereint zahlreiche Moscheen, die größte, die Koutoubia-Moschee, befindet im Herzen der Stadt. Ihr großer Garten bildet den Übergang zwischen Neustadt und Medina.

Für uns war die Erfahrung interessant, den Fastenmonat Ramadan mitzuerleben. Zwischen Sonnenauf- und Untergang sind nicht nur Essen und Trinken, Zigaretten, Drogen und ehelicher Geschlechtsverkehr verboten, es ist auch die Zeit der Versöhnung, Barmherzigkeit und des Aufeinander Zugehens. Wie wir beobachten konnten, wurden die Regeln von Allen ab 16 strikt eingehalten. „Bei 45 Grad im Sommer ist es schwer, aber so geht es“, berichtete einer der Taxifahrer. Wenn aber um kurz vor 19:00 die Stimme des Muezzin über die Stadt schallte, war keiner mehr zu bremsen. Sprichwörtlich bremste der Taxifahrer ab, um sich seine Lunch Box aus dem Kofferraum zu holen, Cafés und Restaurants füllten sich. Mit dem notwendigen Respekt und gegenseitigen Interesse konnten wir uns als Frauen in Marrakesch recht frei bewegen und hatten die ein oder andere nette Begegnung.

Architektur

Marrakesch, besonders seine Altstadt, birgt traditionsreiche, historische Architektur, die stückweise zum Unesco-Welterbe erklärt wurde. Von oben aus betrachtet, wirkt das Häusermeer wie ein Konglomerat aus ockerfarbenen, terracottafarbenen Ziegeln und Steinen. Das Erdbeben von September 2023 hat hier einige Spuren hinterlassen, viele Fassaden und Häuser sind eingefallen und werden von Stahlgerüsten abgestützt. Zwischendurch die prächtigen Schmuckstücke. Paläste, Gärten, Riads, Innenhöfe. Riads sind alte, herrschaftliche Häuser und wurden, sehr symmetrisch, nach dem Vorbild des römischen Atriums erbaut. Ein Innenhof ist vierseitig umschlossen, häufig mit einem Brunnen oder kleinem Pool in der Mitte. Die Häuser boten damals wie heute Schutz und Privatsphäre und sind kleine Oasen inmitten des Trubels. Viele Riads sind heute zu Hotels umgebaut.

Charakteristisch für das gesamte Stadtbild sind auch die facettenreichen, prachtvollen, orientalischen Ornamente. An Fassaden, Decken, in Form von Fliesen und Mosaiken, überall sind sie sichtbar und tauchen stets in einem neuen Kontext zu ihrer Umgebung auf.

Medina

Die Medina – Altstadt- ist das Herzstück der Stadt, umrandet von einer dicken Festungsmauer und berühmt für seine vielen engen, verschlungenen Gassen. Hier vibriert die Stadt. Für uns neben den moderneren Stadtteilen wie Gueliz, oder der Palmerai der interessanteste Bereich, da sich hier das Leben der Einheimischen abspielt und nach wie vor viele Menschen dort leben. Die Medina ist Zentrum der alten Kultur, des Handwerks, der Tradition. Zentral in der Mitte liegt der Jemaa el-Fnaa, der riesige Marktplatz, tagsüber Schauplatz von Schlangenbeschwörern, und fliegenden Händlern, bei Dunkelheit Ort des pulsierenden Lebens. Die Medina beherbergt Sehenswürdigkeiten wie die ehemalige Koranschule Medersa Ben Youssouf, den Bahia-Palast, das Marrakesch-Museum, das Museum „Maison de la photographie“, der Garten „Le jardin secret“, zahlreiche Riads, Restaurants, Hammams und natürlich die Souks. Dieser riesige Markt erfordert einen guten Orientierungssinn, überall locken und verführen orientalische Waren wie Gewürze, Lampen, Textilien, Bekleidung, Lederwaren, Keramiken, Duftöle und Lebensmittel. Ohne Zeitdruck kann man sich hier treiben lassen und visuelles Reize, Gerüche und Geräusche in sich aufsaugen. Die Souks sind teilweise überdacht, bieten Schutz vor der Sonne, eine angenehme Kühle und zudem ein tolles Spiel aus Licht und Schatten. Die engen Gassen sind bevölkert von Touristen, Einheimischen auf Motorrollern, Eseln als vollbeladenen Lasttiere, von Händlern, die sich um die Aufmerksamkeit der Touristen bemühen. Handeln ist natürlich überall angesagt, auch Festpreise vor Dienstleistungen wie Taxi fahren oder Hammam. Für uns anfangs etwas befremdlich.

Überall eine Farbenpracht, die bunten Fassaden der Häuser, die Pflanzen, die Pflanzgefäße, die Waren, die bunten Gewürzsäcke, das prachtvolle Interior der Riads und Restaurants. Fast alle übrigens mit Rooftop, denn das Leben spielt sich oft hier oben ab. Besonderes Highlight- die untergehende Sonne über dem Jemaa el-Fnaa von einem der vielen umliegenden Restaurants mit Dachterrasse. Nicht nur die Farben, auch die vielen Muster und Ornamente und ihr Zusammenspie sind beeindruckend. Jede Fliese, Boden oder Wand, jedes Mosaik ist anders und einzigartig. Ich versuche, die Medina und unsere Eindrücke in Form einiger Bilder widerzugeben.

Licht der Wüste

Rückblickend einer der beeindruckendsten Momente. Als wir am späten Nachmittag die Wüste Agafay, etwas außerhalb von Marrakesch erreichen, ist noch alles in helles, gleißendes Licht getaucht. Tiefblauer Himmel, Sonne, scharfkantige Silhouetten. Je weiter sich die Sonne Richtung Horizont bewegt, desto weicher und fließender wird alles. Das Licht wird wärmer und behält dennoch seine Reinheit, Himmel und Erde verschwimmen zunehmend. Vom höchsten Punkt einer Düne aus betrachtet, wirkt alles auf einmal sehr warm und sanft. Es wird stiller. Der Himmel verfärbt sich bald orange, rosa und lila. Als es dunkel wird, kommt auch die Kühle. Ein magischer Ort.

Atlasgebirge

Das Atlasgebirge ist am Horizont stets sichtbar, es bildet die typische Kulisse der Stadt. Schneebedeckte Gipfel bei einer Temperatur von 35 Grad im April, irgendwie einmalig. Die Gebirgskette verbindet die Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien, der höchste Gipfel, der Toubkal mit ca. 4200m, befindet sich in Marokko. Im Atlasgebirge gibt es ein hohes Vorkommen an Rohstoffen, sonst wirken Flora und Fauna eher karg. Der Klimawandel hat auch hier große Veränderungen mit sich gebracht, einige Flussläufe sind schon im Frühjahr ausgetrocknet. Auf unserer kurzen Hikingtour konnten wir die klare Linie erkennen zwischen fruchtbarem, grünen Gebiet und dürrer, trockener Landschaft. Die Bergdörfer wirkten recht ärmlich und sehr ländlich; das Atlasgebirge wird bevölkert von Berbern. Eines der typischen, regionalen Erzeugnisse ist das hochwertige Arganöl („natural Botox“ ;-)), meist hergestellt und weiterverarbeitet von Frauen, gelegentlich in Kollektiven organisiert.

Gärten

Es gibt so viel zu entdecken, vieles ist nicht vorhersehbar. Inmitten der Medina liegen, verborgen hinter dicken Mauern, brillanteste Gärten.

Jardin Secret

So auch der Jardin Secret, der geheime Garten. Seine Wurzeln reichen ins 16.Jahrhundert und die Saadische Ära. Der Ort war über Jahrzehnte heruntergekommen und verwildert und wurde ab 2013 durch den italienischen Bauunternehmer und Investor Lauro Milan und den britischen Gartendesigner Tom Stuart-Smith renaturiert, restauriert und liebevoll aufgebaut. Eine Mischung exotischer Pflanzen, symmetrisch angelegten Brunnen und Bassins, Es ist eine „Vision des Paradiesgartens aus dem Koran, „streng und verwunschen zugleich“. Auf jeden Fall ein zauberhafter Ort, so still, so duftend, so friedlich.

„Wüstenvölker haben eine andere Beziehung zu Gärten, für sie ist alles Wunder, nichts selbstverständlich.“

AD Magazin, https://www.ad-magazin.de/article/le-jardin-secret

Jardin Majorelle

Nicht weniger faszinieren der Jardin Majorelle. Er wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von dem französischen Maler Jacques Majorelle angelegt. Er war es auch, der das intensive Kobaltblau an vielen Stellen im Garten anlegte. Es wurde zum berühmten Majorelleblau. So intensiv, so kraftvoll. Besonders im Kontrast zu den charakteristischen Bougainvillea und dem Gelb, welches an vielen Stellen des Hauses und in Form von Pflanzgefäßen auftaucht. Berühmtheit erlangte der Garten, als er in den Besitz des französischen Modeschöpfers Yves Saint Laurent und dessen Ehemann Pierre Bergée gelangte. Gemeinsam restaurierten sie den Garten, der Blumen und Pflanzen der ganzen Welt bereit hält. Der Garten diente als Ort der Inspiration und später als Ort der Muße und des Rückzugs. Eine Farbenpracht!

Menara-Garten

Der Menara-Garten ist ein zentral gelegener, öffentlicher Park. Viel weniger frequentiert, gehört er als einer der ältesten Gartenanlagen aus dem 12. Jahrhundert zum UNESCO-Welterbe. Das zentrale Wasserbecken darf leider nicht zum Baden genutzt werden, es bewässert durch ein ausgeklügeltes Kanalsystem jedoch die umlegenden Gärten und großen Olivenhaine. Der gesamte Park ist symmetrisch angelegt, und bietet durch eine beeindruckende Sichtachse freien Blick auf die Koutoubia-Moschee. Vom Palais am Wasserbecken aus blickt man auf die Bergkette des Atlasgebirges.

Interior und Design

Es gibt sie, die Oasen, die Riads, die Cafés in Innenhöfen, auf Dächern, inmitten der Stadt. Vielleicht nicht so bewusst durchgestylt wie in Kopenhagen, Stockholm, London, aber Schmuckstücke moderner, marokkanischer Ästhetik. Farbenfroh, ornamental, ein bisschen Boho. Ich liebe es!

Designpieces

In der Medina werden traditionelles Kunsthandwerk, die üblichen Souvenirs und vieles angeboten. Besonders Keramiken, Teppiche und Kissen hätte ich gerne in Unmengen gekauft, wäre da nicht das klitzekleine Transportproblem. Auch Gueliz bietet einige hübsche Concept-Stores. Modern, mit unmissverständlicher Liebe zu marokkanischer Tradition. Sehr sehenswert auch die Galerie Yasalam-Store, wo gerade eine Ausstellung eröffnet wurde von Illustratoren und Graphikdesignern aus ganz Nordafrika.

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